TEXT: Constanze Trojan
FOTOS: Thomas Henning
Bau‘ Dir Deine Problemlösung!
Knallbuntes Klebeband, Luftballons und LEGO-Steine: Als ich die Workshop-Location betrete, fühle ich mich zurückgeworfen in alte Zeiten. Umso
neugieriger bin ich, was mich gleich beim Design Thinking-Workshop erwarten wird. Wir sind insgesamt 25 Teilnehmer, die an diesem Nachmittag die aktuell sehr angesagte Innovationsmethode kennen lernen und erleben, wie man durch Design Thinking auf kreative Weise Probleme lösen kann. Die cleane Workshop-Location bietet viel Raum und freie Fläche, die wir in den kommenden Stunden nutzen werden.
Zum Teil sind die Wände und Fenster schon mit bunten Tapes und Post-its präpariert. Selbst auf dem Boden kleben Schriftzüge und Symbole.
Nicht nur Methode, sondern Denkweise
Der Hype um Design Thinking ist ungebrochen. Was ursprünglich als Innovationsmethode für Produkte und Services genutzt wurde – daher auch der Begriff „Design“ im Namen – wird inzwischen als Ansatz eingesetzt, um anwenderorientierte Lösungen zu finden. Die grundlegenden
Elemente sind neben dem Prozess möglichst vielfältige, interdisziplinäre Teams sowie offene, mobile Raumkonzepte. Damit ist Design Thinking eine effektive Arbeitsmethode, wie Innovationsberaterin Mela Chu bei der Einführung betont. „Es ist aber vor allem auch ein Mind-Set, das die Sicht auf Probleme und deren Lösungen ändert.“ Ursprünglich aus dem Arbeitsfeld des Designs kommend, ist Mela Chu mittlerweile Innovationsberaterin mit der von ihr gegründeten Innovationsberatung BLCKSWN. Bevor wir richtig loslegen, erklärt sie uns die Grundprinzipien:
eine offene, positive und neugierige Haltung, Mut zu experimentellem Denken, handlungsorientiertes Agieren. „Habt keine Angst vor Fehlern, sondern traut Euch! Es geht ums Machen – nur durch Ausprobieren sammeln wir neue Erkenntnisse.“ Allem scheinbaren Aktivismus zum Trotz steht beim Design Thinking der Mensch im Mittelpunkt: Technische und unternehmerische Aspekte ordnen sich den Bedürfnissen der Zielgruppe unter. Denn die Lösung muss zuallererst aus Anwendersicht überzeugend sein.
Quantität, dann Qualität
Der klassische Design-Thinking-Prozess besteht aus fünf Phasen. Zunächst gilt es, das Problemfeld und die Zielgruppe durch Beobachten und Befragen zu verstehen – und zwar im Lebensalltag der Interessengruppen. Die so gewonnenen Einsichten tauschen die Teammitglieder im Anschluss untereinander aus und verknüpfen sie zu einem Gesamtbild. Visualisierungen helfen dabei, die Informationen anschaulich zusammenzufassen. Dann folgt das Generieren von Ideen. Hier gilt: Je mehr, desto besser. Aus den vielversprechendsten entstehen so schnell wie
möglich Prototypen, um sie greifbar zu machen. Hier ist erlaubt, was gefällt – oder was eben zur Hand ist: Pappe, Knete, LEGOSteine. Aber auch Rollenspiele oder Storytelling sind möglich. Sobald der Prototyp konkrete Formen angenommen hat, wird er der Zielgruppe präsentiert. Das kann bedeuten, dass er – und damit auch die Idee – bereits in der Testphase wieder verworfen werden muss. Im Design Thinking jedoch kein Rückschlag, sondern Teil des Prozesses.
Jeder, wie er will und kann.
Die einzelnen Phasen müssen nicht linear durchlaufen werden.
Prinzipiell sind beliebige Sprünge möglich. „Design Thinking lebt vom Wiederholen der verschiedenen Schritte und dem Wechselspiel aus Beobachten, Interpretieren, Hypothesen aufstellen und Ausprobieren“, so Mela Chu. Ebenso frei bewegt man sich idealerweise auch im Raum. Deshalb fordert uns Mela Chu auf, möglichst wenig zu sitzen und die Wände sowie Fenster als
Arbeitsfläche zu nutzen. Wir finden uns in Teams zusammen und bekommen eine Ausgangsfragestellung, die wir im Laufe des Workshops bearbeiten. In kurzen Sprints durchlaufen wir die einzelnen Phasen. Nach knapp vier Stunden haben wir es tatsächlich geschafft, pro Team jeweils eine Idee samt Prototypen auszuarbeiten. Statt der Zielgruppe präsentieren wir ihn innerhalb der gesamten Gruppe und bewerten gegenseitig die Ideen der anderen Teams.
Mit einem kurzen Resümee endet der Workshop. Es ist erstaunlich, wie viel wir in dieser kurzen Zeit geschafft haben. Auch wenn die einzelnen Schritte an einem Nachmittag nicht in Fleisch und Blut übergehen konnten, hat der Workshop doch viele Anregungen gebracht. Und gezeigt, wie Aufgaben jeglicher Art auch mal durch eine ganz andere Denkweise angegangen werden können. „Das Spannende am Design Thinking ist, dass
man am Anfang nie weiß, was am Ende rauskommt“, fasst Mela Chu zusammen. „Durch diese Methode ist wirklich jeder in der Lage, Lösungen für alle möglichen Probleme zu finden.“